Hausärztemangel erfolgreich überwunden – Ärztekammer lobt Aichtal
Stadt, Gemeinderat und Ärzte sichern die medizinische Versorgung mit kommunalem Förderprogramm – Hausärzte bleiben in allen Stadtteilen erhalten
Der Hausärztemangel stellt viele Kommunen vor große Herausforderungen – so auch Aichtal mit seinen 10.000 Einwohnern. Besonders kritisch wurde die Lage, als 2022 plötzlich eine Hausarztpraxis geschlossen wurde. Rund 1.300 Patienten standen von einem Tag auf den anderen ohne medizinische Versorgung da. Um eine nachhaltige Lösung zu finden, arbeiteten Stadtverwaltung, Gemeinderat und engagierte Ärzte eng zusammen. Mit einem kommunalen Förderprogramm in Höhe von 150.000 Euro gelang es, den Fortbestand der hausärztlichen Versorgung in allen Stadtteilen zu sichern. Eine Praxis wurde zur Gemeinschaftspraxis erweitert, um die Betreuung der Patienten langfristig zu gewährleisten.
Praxen in allen Stadtteilen gesichert – Finanzielle Anreize zeigen Wirkung
Die medizinische Versorgung im Landkreis Esslingen ist angespannt: Der Versorgungsgrad für Hausärzte im Mittelbereich Nürtingen liegt nur noch bei 90,1 Prozent, mit 13,5 unbesetzten Arztsitzen. Zudem sind fast die Hälfte der niedergelassenen Ärzte über 60 Jahre alt, sodass in den kommenden Jahren zahlreiche Praxisschließungen drohen. Bereits jetzt gibt es in drei Gemeinden des Landkreises keine einzige Hausarztpraxis mehr.
Auch in Aichtal war die Situation prekär. Besonders in Grötzingen entstand durch die plötzliche Praxisschließung 2022 eine erhebliche Versorgungslücke. Verschärft wurde die Situation durch den bevorstehenden Ruhestand des Ärzteehepaares Dr. Martina und Dr. Bernhard Huschka, wodurch es zur Mitte dieses Jahres eine noch größere Lücke im gesamten Stadtgebiet hätte geben können. Um diesem drohenden Versorgungsnotstand vorzubeugen, entwickelte die Stadt mit dem Gemeinderat ein gezieltes Förderprogramm. Es unterstützt Praxisübernahmen und Neugründungen und soll Hausärzte langfristig an Aichtal binden.
Die finanzielle Unterstützung von bis zu 50.000 Euro pro Arzt hat mit dazu geführt, dass in jedem Stadtteil eine Arztpraxis erhalten oder eine Gemeinschaftspraxis gegründet wurde:
- In Grötzingen hat Dr. Illa Engelmann bereits im Oktober 2022 einen Zuschuss in Höhe von 50.000 Euro erhalten, um ihre Praxis in den ehemaligen Räumlichkeiten eines ausgeschiedenen Arztes zu eröffnen.
- In Neuenhaus wird sich Eckehard Beck neu niederlassen, nachdem der Gemeinderat nun einen weiteren Zuschuss in Höhe von 50.000 Euro bewilligt hat.
- In Aich gründete Frau Dr. Sonja Nonnenmacher eine Gemeinschaftspraxis. Die neu niedergelassene Ärztin in der Praxis, Frau Dr. Christine Groh, erhält eine Förderung in Höhe von 50.000 Euro.
Damit hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung grünes Licht für weitere 100.000 Euro an Fördermitteln gegeben, um die hausärztliche Versorgung langfristig zu sichern. Durch die Zuschüsse verpflichten sich die Ärzte, ihre Praxen langfristig in Aichtal zu betreiben, was eine stabile medizinische Versorgung für die Bevölkerung gewährleistet.
Bürgermeister Sebastian Kurz unterstreicht die Bedeutung der ergriffenen Maßnahmen: „Unser Ziel war es, die hausärztliche Versorgung langfristig zu sichern. Dank der Förderung konnten wir erreichen, dass sich Mediziner bewusst für Aichtal entscheiden. Uns ist jedoch klar, dass wir auch in Zukunft weiter aktiv bleiben müssen, um eine stabile medizinische Betreuung zu gewährleisten.“
Auch die Ärzte selbst heben die Unterstützung der Stadt hervor. „Ohne diese Förderung wäre die Praxisübernahme eine große Herausforderung gewesen. Die Stadt hat mit dazu beigetragen, die medizinische Versorgung zu stabilisieren“, erklärt Eckehard Beck, Facharzt für Allgemeinmedizin. Seine Kollegin Dr. Christiane Groh, Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, ergänzt: „Neben den finanziellen Anreizen war vor allem das klare Engagement der Stadt und des Gemeinderats für die ärztliche Versorgung ein entscheidender Faktor.“
Dr. Martina und Dr. Bernhard Huschka suchten über zwei Jahre vergeblich nach einem geeigneten Nachfolger für ihre Praxis in Aichtal-Neuenhaus. „Für einige Bewerber war der städtische Zuschuss ein entscheidender Anreiz, sich überhaupt zu interessieren“, erklärt Dr. Bernhard Huschka. „Uns war es wichtig, dass unsere Patienten weiterhin gut versorgt werden. Daher wollten wir die Praxis in vertrauensvolle Hände übergeben.“
Ärztekammer lobt Aichtals Engagement
Die Ärztekammer Baden-Württemberg bewertet Förderprogramme wie das in Aichtal als wichtigen Baustein im Kampf gegen den Hausärztemangel. Dr. Wolfgang Miller, der Präsident der Landesärztekammer, selbst niedergelassener Arzt im Landkreis Esslingen, hat bereits im Januar bei einem Treffen mit Bürgermeister Kurz die Initiative begrüßt. Er stellt fest: „Eine verlässliche hausärztliche Versorgung ist existenziell für die Menschen. Gerade in ländlicheren Gebieten wird es aktuell schwieriger, Hausärztinnen und Hausärzte zu finden. Zusätzliche Unterstützung, das Gefühl, willkommen zu sein, der persönliche Einsatz des Bürgermeisters, aber auch finanzielle Anreize durch die Gemeinde können durchaus bewirken, dass die Ärztinnen und Ärzte sich für das Leben und Arbeiten außerhalb der städtischen Ballungsräume entscheiden.“
Mit einem Gesamtbudget von 150.000 Euro hat Aichtal gezielt in seine medizinische Infrastruktur investiert. Die frühzeitige Planung und enge Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Ärzteschaft und Gemeinderat haben dazu geführt, dass die Bürgerinnen und Bürger in Aichtal weiterhin wohnortnah medizinisch versorgt werden.